Backes
Das Brotbacken in gemeinschaftlichen Backhäusern ist eine alte Siegerländer Tradition.
Um den “Siegerländer Backes” (= gemeinschaftliches Backhaus) zu beschreiben, muss man ein ganzes Stück in die Zeit zurückgehen: Im 16. Jahrhundert legte Johann VI, Graf zu Nassau, eine Holz- und Waldverordnung fest. Diese besagte unter anderem: „In jedem Dorff sollen ettliche gemeine Backofen verordnet werden“. Innerhalb eines halben Jahres sollten diese „gemeinschaftlichen Backöfen“ errichtet sein.
Seine Gründe waren sowohl ökonomischer als auch ökologischer Natur: Es ging einerseits darum, wertvolles Holz zu sparen. Denn das Siegerland, wirtschaftlich geprägt durch das Eisengewerbe, benötigte sehr viel Holz und Holzkohle, also durchaus rare Güter, und ein Raubbau an der Natur sollte verhindert werden. Andererseits galt es, einen Beitrag zum Feuerschutz zu leisten. Um die Dörfer vor einem Brand zu schützen, wurden die Backeshäuser abseits der Siedlungen gebaut.
Die Backhäuser wurden aus den billigsten Werkstoffen errichtet, z.B. aus mit Lehm ausgekleideten Holzfachwerken sowie Blechdacheindeckung. Der Fußboden war meist gewachsener Lehmboden. Die Größe ergab sich aus dem eigentlichen Backofen, der sogenannten „Huuw“, und einem kleinen Vorraum von vielleicht 6 Quadratmetern. Der Teig wurde zu Hause zubereitet und auch die Brotlaibe in der häuslichen Küche geformt. Auf sogenannten Backes-Brettern abgelegt, transportierte man die aufgegangenen Brotlaibe mit einer Karre - dem sogenannten „Schuffbock“ - zum Backes.
Im Backes selbst war dann der Backofen, die „Huuw“ schon auf Temperatur gebracht worden. Geheizt wurde mit Schanzen (Reisigbündeln = trockenen Ästen) aus dem Hauberg. Auch heute wird noch nach alter Tradition gebacken: Je nach Ofen sind mindestens acht Schanzen notwendig, die auf den waagerechten Boden des gemauerten Ofens ausgelegt und abgebrannt werden. Anschließend, wenn die richtige Hitze erreicht ist, werden Glut und Asche aus dem Ofen herausgeholt und dieser mit einem nassen Reisigbesen gereinigt. Nun finden die Brotlaibe mit einem Schieber ihren Weg in den Ofen, sie werden „eingeschossen“. Entsprechend der Art und Größe des Ofens wie auch der Brote beträgt die Backzeit für das Schwarzbrot rund zwei Stunden. Dieses Siegerländer Schanzenbrot zeichnet sich durch eine harte Kruste und eine lange Haltbarkeit aus. Die noch verbleibende Hitze wird dann zum Backen von Weißbrot, „Riewekooche“ oder Kuchen genutzt, heute kommen auch Pizza-Bäcker zum Zuge.
Während der Backzeit hatte man Muße für Unterhaltung, das Neueste und Wichtigste aus dem Dorf wurde besprochen und ein Sauerteig-Ansatz konnte bei der Gelegenheit an die Backesgenossen weitergegeben werden, die als Nächste mit dem Backen an der Reihe waren.
Im Freudenberger Raum sind in den letzten Jahren viele alte Gemeinschaftsbackhäuser, auch Backeser genannt, renoviert und in Betrieb genommen worden oder neue Backhäuser gebaut worden. Die Besonderheit ist der direkt befeuerte Steinbackofen, der meist mehrere Tage mit Holz und Schanzen aus den hiesigen Wäldern aufgeheizt werden muss, bevor die richtige Temperatur zum Backen erreicht ist. Die örtlichen Heimatvereinen Freudenbergs pflegen die Siegerländer Tradition auf eine ganz besondere Art:
Alle zwei Jahre schließen sich acht Freudenberger Backhäuser zusammen und veranstalten gemeinsam die große Freudenberger Backes-Tour. Dann werden die Türen geöffnet und die Backeser bieten Brot und Gebäck aus ihren befeuerten Steinbacköfen an. Auf alt hergebrachte Weise wird darin Brot und Kuchen nach überlieferten Rezepten gebacken. Diesen Genuss sollte man sich bei einem Besuch in Freudenberg auf keinen Fall entgehen lassen!
Der Duft von frischem Brot oder Kuchen lädt zum Probieren ein und die handwerklich entstandenen Brotspezialitäten können erworben werden. Viele Besucher wandern oder radeln an diesem Tag von Backes zu Backes und freuen sich darauf, die Unterschiede herauszuschmecken, die sich durch spezifische Rezepturen, Mehltypen oder der Eigenart des jeweiligen Ofens ergeben. Ein perfekter Tag für die ganze Familie in Freudenberg mit ganz besonderen Einkehrmöglichkeiten.
Informationen zur nächsten Backes-Tour finden Sie auf den Seiten der jeweiligen Heimatvereine oder im Veranstaltungskalender der Stadt Freudenberg.
Text-Quelle:
www.heimatvereine-in-freudenberg.de
https://www.sauerland.com/Media/Attraktionen/Freudenberger-Backhaeuser
Bild-Quellen:
Heimatvereine Freudenberg (Schanzenbrot 1 – 9; Logo Freudenberger HV)
Archiv Stadt Freudenberg (wartende Frauen)